Klaus Brandner: „Arbeit ist mehr als Geldverdienen“


Wie kann man Beschäftigungschancen entwickeln? Mit dieser Frage beschäftigte sich Pro Arbeit jüngst in einem Forum. 

Jüngst erörterten (v. l.)Björn Haller (Leiter der Abteilung Arbeit und Steuerung des Jobcenters Kreis Gütersloh), Nikola Weber (Geschäftsführerin der pro Wirtschaft GT GmbH), Klaus Brandner (Aufsichtsratsvorsitzender Pro Arbeit), Dr. Georg Robra (Erster Beigeordneter der Stadt Rheda-Wiedenbrück), Carsten Engelbrecht (Vorstand Pro Arbeit) und Frank Buschmann (Vorstand Pro Arbeit) beim Pro-Arbeit-Forum Lösungsansätze zur Entwicklung von Beschäftigungschancen im Kreis Gütersloh.

Rheda-Wiedenbrück (gl). Krisen, Chancen, Wandel: Auch im wirtschaftsstarken Kreis Gütersloh stellen die aktuellen Entwicklungen der Arbeitswelt die Gesellschaft vor Herausforderungen. Insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit birgt zunehmende Schwierigkeiten für das Leben Betroffener. 

Beschäftigungsquote hat fast das Vollbeschäftigungskriterium erreicht

Zu einem Forum zu der Frage „Wie entwickeln wir Beschäftigungschancen im Kreis Gütersloh?“ hat der gemeinnützige Träger Pro Arbeit aus Rheda jüngst zahlreiche Gäste sowie drei Referenten begrüßt. „Arbeit ist mehr als Geldverdienen“, betonte Klaus Brandner, Aufsichtsratsvorsitzender des Vereins, in seiner Begrüßung. Doch während die Beschäftigungsquote in der Region fast das Vollbeschäftigungskriterium erreicht hat, konnte die Gruppe der Langzeitarbeitslosen nicht von den Entwicklungen des Arbeitsmarkts profitieren. „Mehr als 40 Prozent der im Kreis Gütersloh arbeitslos gemeldeten Menschen gehören zu diesem Personenkreis“, verdeutlichte Brandner. „Tendenz steigend.“ 

Mit der Ablösung von Hartz IV durch das Bürgergeld im kommenden Jahr sei eine entscheidende Phase in der Arbeitspolitik eingeläutet worden: Höhere Regelsätze und die Belohnung von Weiterbildungen sind nur einige der geplanten Veränderungen. Um langzeitarbeitslosen Menschen mit der passenden Förderung den Weg in den Beruf zu ebnen, seien jedoch auch gemeinsame Kraftanstrengungen von Stadt, Kreis, Land, Bund und Akteuren wie Pro Arbeit gefordert. 

Außer zahlreichen Gästen und Vertretern aus Bildungseinrichtungen, Initiativen, Politik und Verwaltung nahmen zu den Herausforderungen und Perspektiven drei Referenten Stellung: Dr. Georg Robra (Erster Beigeordneter der Stadt Rheda-Wiedenbrück), Nikola Weber (Geschäftsführerin Pro Wirtschaft GT), sowie Björn Haller (Leiter der Abteilung Arbeit und Steuerung des Jobcenters Kreis Gütersloh) informierten in kurzen Impulsvorträgen und standen im Anschluss für eine Diskussion zur Verfügung. Als Stadt engagiere man sich etwa dafür, Raum zu schaffen, damit Beschäftigung stattfinden könne: zum Beispiel durch die Sicherstellung der Kinderbetreuung oder die Sprachförderung, sagt Robra. 

Die besondere Bedeutung der beruflichen Integration von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund sowie ausländischen Staatsangehörigen stellte besonders Björn Haller heraus: „Unter den Menschen mit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, die keinen Schul- beziehungsweise Berufsabschluss vorweisen können, machen jene einen erheblichen Anteil aus.“

Mini-Jobs können ‚wegrationalisiert’ werden

„Mini-Jobs können in besonderem Maße durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung ‚wegrationalisiert’ werden. Die Menschen, die heute in solchen Berufen arbeiten, müssen langfristig anderweitig in Arbeit gebracht werden“, sagte Björn Haller. Denn es seien in der Region überdurchschnittlich viele Helfer-Jobs vertreten. Diese Situation müsse im Auge behalten werden. 

Nikola Weber thematisierte unter anderem die schwierige Lage, in der sich Unternehmen aktuell befinden: Wo immer teurer werdende Investitionen, Lieferengpässe, Energie- und Klimakrise, Arbeitskräftemangel, Corona und mehr das Tagesgeschäft bestimmten, sei das Hinterfragen und Anpassen bestehender Abläufe sowie von Geschäftsmodellen unvermeidbar. Aus den aktuellen Krisen ergebe sich eine beiderseitige Verpflichtung: „Arbeitgeber stehen in der Pflicht, im Sinn der nachhaltigen Wirtschaftlichkeit ihre Strukturen zu optimieren. Die Arbeitnehmer müssen diesen Wandel jedoch ebenso aktiv sowie flexibel mitgehen und in die eigene Weiterbildung investieren. 

Einig waren sich Referenten, Gastgeber und Gäste im Hinblick auf die Bedeutung von Angeboten der Bildung und Berufsorientierung vom Kindesalter an sowie eine bessere Herausstellung der Vorteile der dualen Ausbildung. Die berufliche Bildung müsse der akademischen Bildung gleichgestellt werden. Dass eine Berufsausbildung in Sachen Verdienst und Zukunftsperspektiven beispielsweise einem Bachelorabschluss häufig überlegen sei, sei allgemein noch zu wenig bekannt. 

„Erst dann bewegt sich etwas“

Darüber hinaus seien intensive gemeinsame Anstrengungen notwendig, um langzeitarbeitslosen Menschen mit zielgerichteten Bildungs- und Qualifizierungsangeboten den Weg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. „Dazu braucht es Menschen, Unternehmen und Institutionen, die es anpacken“, fasste Klaus Brandner als Pro-Arbeit-Aufsichtsratsvorsitzender zusammen. „Erst dann bewegt sich etwas.“

Texte und Fotos von die-glocke.de sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.