
Wie weit schuldig an seinem Verhalten ist ein psychisch kranker Verkehrsteilnehmer, der mit seinem Auto im Wahn bei Tempo 100 laut hupend mehrere Straßensperren und rote Ampeln missachtet, dabei Polizeibeamte und Feuerwehrleute gefährdet und zum Teil verletzt und am Ende seiner halsbrecherischen Fahrt erheblichen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leistet? Und wie soll dieser Autofahrer im Fall eines Schuldspruchs zur Verantwortung gezogen werden? Diese beiden Fragen sind dieser Tage Verhandlungsgegenstand vor dem Gütersloher Amtsgericht gewesen.
Am 18. März 2019 befuhr ein Mann aus Verl, der zu dem Zeitpunkt an einer seelischen Störung litt, die Gütersloher Straße aus Verl kommend in Richtung Gütersloh. Nachdem er drei Straßensperren und mehrere Ampeln ignoriert hatte und mit hoher Geschwindigkeit (ein als Zeuge aussagender Polizist: „Tempo 90 bis 110“) an wartenden Fahrzeugen vorbeigeschossen war, nahmen Polizeifahrzeuge an der Friedrich-Ebert-Straße in Gütersloh die Verfolgung auf. An der B 61 gelang es den Ordnungshütern schließlich, die wilde Fahrt zu beenden und den Mann festzunehmen.
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Er habe sich an diesem Tag geleitet und göttlich gefühlt, sagte der Angeklagte. „Das war eine Amokfahrt. Ich habe mich und andere Menschen in Gefahr gebracht“, fügte er reumütig hinzu. Bei einem Polizeibeamten, der am Tag des Geschehens an einer Straßensperre den Verkehr geregelt hatte und jetzt als Zeuge geladen war, entschuldigte sich der Verler für sein Verhalten. Der Polizist nahm die Entschuldigung an.
Ein ärztliches Gutachten bescheinigte dem Angeklagten für den Tattag aufgrund unterlassener Medikamenteneinnahme eine „erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit“. Wohl deswegen und weil er sich weitgehend geständig und reumütig zeigte, kam er mit einer vergleichsweise glimpflichen Strafe davon. Das Gericht verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Aufgrund einer günstigen Sozialprognose wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt.
Für den Führerschein, der ihm im März vergangenen Jahres entzogen worden war, sieht das Urteil eine achtmonatige Sperrfrist vor. Außerdem wurde dem Verler aufgetragen, regelmäßig seinen Arzt zu konsultieren und seine Medikamente zu nehmen.
„Sie haben bei Ihrer Fahrt jede Menge Glück oder hohe Mächte gehabt“, führte Richter Markus Seip in seiner Urteilsbegründung aus. Er ermahnte den Mann, die Auflagen einzuhalten. Das Urteil sei seine „letzte Chance“. Im Wiederholungsfalle drohten ihm Gefängnis oder Psychiatrie.