
Ein menschlicher Schädel steht zwischen Jagdtrophäen im Wohnzimmer der Eltern: Mit diesem Bild ist Gerhard Ziegenfuß aufgewachsen. Das Andenken kam

Sein Großonkel Alois Ziegenfuß war Pater des Ordens Oblaten der unbefleckten Jungfrau Maria. Im Jahr 1900 ging der 28-Jährige nach Deutsch-Südwestafrika, ins heutige Namibia. Bis zu seinem Tod 1948 war er dort katholischer Missionar. Eine Straße in Windhoek wurde nach ihm benannt.
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„Der Oblatenpater war nicht nur Seelsorger, sondern auch passionierter Jäger“, sagt sein Großneffe Gerhard Ziegenfuß. „Viele Trophäen afrikanischer Tiere schickte er an die Verwandtschaft in der alten Heimat.“ Vermutlich mit den Trophäen sei der menschliche Schädel ins Elternhaus des Ennigerlohers gelangt, das im thüringischen Dingelstädt stand. „Er erhielt einen Ehrenplatz auf dem Wohnzimmerschrank, sollte er doch von einem afrikanischen Häuptling stammen.“
Kann das stimmen? Wem gehörte der Schädel? Dieser Frage versuchte Gerhard Ziegenfuß in den vergangenen Jahren auf den Grund zu gehen. Doch der Schädel schien
Bereits 2008 hatte Gerhard Ziegenfuß Kontakt zur namibischen Botschaft in Berlin aufgenommen. Er wollte den Schädel zurückgeben, damit er in der Heimat würdevoll bestattet werden kann. Doch auch jetzt, nachdem der Schädel mehrmals untersucht worden ist, befindet er sich noch in Ennigerloh. „Die namibische Seite lässt mich im Stich.“
In der Kolonialzeit kamen viele Schädel aus Afrika nach Deutschland. Forschungen an ihnen sollten die Unterlegenheit der „afrikanischen Rasse“ beweisen. Die Botschaft Namibias in Berlin sei jedoch erstaunt gewesen, als sie von dem Schädel bei Gerhard Ziegenfuß in Ennigerloh erfahren habe. „Es ist ungewöhnlich, dass Privatleute so etwas haben“, erklärt Rita Herkenrath von der Botschaft auf Anfrage der „Glocke“. „Es gab zwei Rückführungen an Namibia. 2011 übergab die Berliner Charité 20 Schädel, 2014 weitere 21. Dazu kamen 14 Schädel von der Universität Freiburg.“
Die Botschaft wolle auch dabei helfen, den Schädel aus Ennigerloh nach Namibia zu bringen, gemeinsam mit weiteren der Charité. „Das wird sich aber noch verzögern. In Namibia trat erst am 21. März eine neue Regierung zusammen, die vorher noch viele andere Aufgaben erfüllen muss.“
Gerhard Ziegenfuß reiste vor kurzem selbst nach Namibia, um mehr über den Schädel und seinen Großonkel in Erfahrung zu bringen. Der WDR 3 machte daraus die 55-minütige Sendung „Warum Herr Ziegenfuß nach Afrika muss“. Sie ist am Samstag, 9. Mai, 12.05 Uhr, und nochmal am Sonntag, 10. Mai, 15.05 Uhr, zu hören.